„Um die all seinen Unternehmungen innewohnende Ungewissheit auszuhalten, bedarf das Individuum der Zuversicht. Überdies kann es sich in seinem unendlich erweiterten Zeit-, Raum- und sozialen Horizont beliebig viele Gefahren ausdenken. Da sich Wesen ohne Bewusstsein nur mit konkreten, unmittelbaren Gefahren auseinandersetzen, hat sich in der Evolution kein «Zuversichts-Instinkt» ausgebildet.
Woher soll nun ein bewusstes Wesen Zuversicht nehmen, wenn es keinen Vater im Himmel anrufen kann? Die erworbene Erkenntnis über den Menschen enthält auch dies: Im Kern eines jeden ist die Weisheit der Evolution aus Jahrmillionen versammelt. Ungestörtes Leben drängt deshalb zur Erfüllung – nicht in die Leere. Wer auf die angeborene Lebensbejahung horchen lernt, hat gute Aussicht auf Zuversicht. Wer den Vater im Himmel anruft, tritt auch nur in Zwiesprache mit diesem Kern. Dazu Goethe in einer «Zahmen Xenie»: «Was der Mensch als Gott verehrt, ist sein eigenstes Innere herausgekehrt.» „
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http://www.nzz.ch/wissenschaft-und-religion-kann-wissen-glauben-ersetzen-ld.10073